So richtig auf Betriebstemperatur ist das Publikum beim 47 Grad-Festival in der Ravensburger Oberschwabenhalle noch nicht. Es ist Samstagabend, die Indie-Band "Jonah" aus der niedersächsischen Kleinstadt Brake steht auf der Bühne. "Habt ihr Bock?", fragt Sänger Angelo Mammone. Als Antwort gibt es einen spärlichen Applaus, der eher einem kollektiven Gähnen gleicht. Bis "Jonah" ihren großen Hit "All we are" spielen, der durch die Werbung eines Mobilfunkanbieters bekannt wurde, scheinen sich Band und Publikum wechselseitig zu langweilen. Erst die bekannte Single wird zum Weckruf, Jubel brandet auf.
Es ist die zweite Auflage des 47 Grad-Festivals. In den lichten Zuschauerreihen gibt es viel Platz, mit rund 500 Gästen (und somit 200 weniger als im Vorjahr) rechnete der Veranstalter am Samstagabend. Zum Vergleich: Rapper Kool Savas lockte im März rund 1200 junge Menschen in das Ravensburger Veranstaltungshaus – allein.
Obwohl ein Teil der Halle für das Festival abgetrennt wurde, wird dieser am gesamten Abend nicht voll. An den Bands mag es nicht liegen. Die beiden Headliner, die Deutschpunk-Band "Turbostaat" aus Husum und die Düsseldorfer "Antilopen Gang" sind Publikums- und Kritikerlieblinge. "Sonic. The Machine" aus Friedrichshafen, die den Konzertabend eröffneten, haben das Schülerbandturnier SchoolJam gewonnen und wurden damit zur besten Schülerband Deutschlands gekürt. Die Elektropop-Band "Claire" aus München ist gerade auf dem Weg, das deutsche Pendant zu "Churches" zu werden, den erfolgreichen Genrekollegen aus dem schottischen Glasgow. Ein Konzert im Stuttgarter Wizemann vor einigen Wochen war ausverkauft.
In der Oberschwabenhalle zeigt sich auch, warum. "Claire" brechen endgültig das Eis, bringen das Publikum zum Tanzen. Einige Zuhörer liegen sich in den Armen und singen strahlend die englischen Texte der Sängerin Josie-Claire Bürkle mit.
Furioser Abschluss
"Turbostaat", die in den autonomen Zentren und Punk-Kneipen genauso zuhause sind wie auf den Superlativen-Festivals, bringen auch das 47 Grad-Festival zum Schwitzen. "Turbostaat" sind eine Band, auf die sich Linksautonome, Punks, aber auch Mainstream-Rockfans einigen können. Sie tanzen gemeinsam Pogo und kennen jede Textzeile. Sänger Jan Windmeier bemerkt in einer Ansage zwischen den Songs, dass es ja nicht so viele seien – aber die hat er trotzdem im Griff. Auftritte wie dieser sind das natürliche Habitat der Band, das spürt man. Live zündet sogar der neue Song "Abalonia" von der gleichnamigen neuen Platte, die erst im Januar erscheint. Dabei wollen Gäste bei Konzerten normalerweise das hören, was sie bereits kennen.
Die Hip-Hopper der "Antilopen Gang " beenden das Festival mit einem furiosen Auftritt. Mit den Bässen scheinen sie die Herzschläge der Zuschauer einzunehmen und ihre Bewegungen zu diktieren, der gesamte Zuschauerraum scheint zu vibrieren. Die "Antilopen Gang" schafft es sogar, eine "Wall of Death" zu initiieren, etwas, dass normalerweise nur auf den Festivals mit 2000+ Zuschauern möglich ist. Dafür trennen sie die Gäste in zwei Lager, die sich gegenüber aufstellen. Sobald der Bass einsetzt, rennen sie aufeinander zu und schubsen sich – Pogo halt. Die "Gang" ist von ihrer Attitüde mehr Punk- als Hip Hop-Band.
Auf einer Newcomerbühne im Foyer verkürzen Bands und Künstler die Wartezeit während der Umbaupausen. So nutzen unter anderem die Singer/Songwriterin Charlotte, die Ravensburger von "Padlock" oder die Punks von "Back and Fill", die diesjährigen Gewinnerband des Southside-Bandwettbewerbs der "Schwäbischen Zeitung", die Möglichkeit, in solch einem professionellen Rahmen zu spielen.Sie kühlen das Publikum wieder runter, bevor es in die neblige Winternacht entschwindet.
Mehr Bilder von den Auftritten gibt es im Internet unter