Auch zehn Tage vor der Oberbürgermeisterwahl in Ulm bleibt der Wahlkampf ohne echtes kontroverses Thema oder gar Streit. Bei der offiziellen Kandidatenvorstellung am Donnerstagabend im nicht ganz gefüllten Saal des Kornhauses präsentierten sich sechs der sieben Bewerber vor 450 Interessierten.
Bis auf Lisa Collins ("Die Partei"), die keinerlei inhaltliche Aussage tätigte,stellten die Kandidaten sich mit fast identischen Konzepten für die Stadt vor. Die Ethnologin Sevda Caliskan ließ sich entschuldigen: Sie ist krank.
Der für diesen Wahlkampf, der kein Kampf ist, typischste Satz fällt um 19.53 Uhr. Anja Hirschel von der Piratenpartei hat zwölf Minuten gesprochen und damit die vorgegebene Zeit ausgenutzt. Oberbürgermeister Ivo Gönner, der die Veranstaltung moderiert, blickt bereits streng auf die Uhr. Doch Hirschel ergreift erneut das Wort und bedankt sich bei ihren Mitstreitern: "Für Fairness, Stil und einen stets respektvollen Umgang in diesem Wahlkampf!" Das sei nicht selbstverständlich. Der Applaus der Zuhörer hallt lange nach.
Zuvor haben sich die Kandidaten vorgestellt. Wer diesen Wahlkampf beobachtet, stellt ein paar interessante Entwicklungen fest. Birgit Schäfer-Oelmayer beispielsweise: Hatte sie bisher stets auf ihre Tätigkeit als Stadträtin und die lange Erfahrung am Ratstisch verwiesen, so streift sie diese Rolle nun ab. "Als Oberbürgermeisterin werde ich", beginnt sie ihre Sätze, um dann Ideen zu entwickeln: von der Fahrrad-gerechten Stadt, von der "Scharnierfunktion" des Stadtoberhaupts zwischen Verwaltung und Bürgern. Deutlich besser als vor einer Woche bei einem Podium hat die grüne Frontfrau ihre Form gefunden.
Abgelesene Reden
Doch warum nur lesen selbst erfahrene Politiker jetzt ihre Reden ab? Martin Rivoir (SPD), der auf seine guten Verbindungen zur grün-roten Landesregierung abhebt und sich als "Ulmer durch und durch" zeigt, hat seine Rede inhaltlich gut vorbereitet. Er weiß, wovon er spricht, wenn er 700 neue Wohnungen fordert. Pro Jahr, wohlgemerkt. Er vermeidet die freie Rede wie auch Gunter Czisch (CDU), der sich als schwäbisch-soliden Haushalter sieht, der Ulm nach vorne bringen will. Der Erste Bürgermeister will ein "modernes, weltoffenes, solidarisches und lebenswertes Ulm". Das wollen seine Mitbewerber doch auch...
Selbst Ralf Milde, der sich in der Vorwoche noch als Spaßvogel gefiel, will nun staatstragend wirken: Er doziert vom Blatt über die Rolle der Stadt als Keimzelle der Demokratie. Konkrete Aussagen vermeidet er unter Hinweis darauf, dass ein Oberbürgermeister eher mit Sozialkompetenz als mit Sachkenntnis zu glänzen habe. Sozialkompetenz bringe er selbstverständlich mit, betont Milde.
Selbstmitleid prägt die Rede von Lisa Collins ("Die Partei"), die einige Claquere mit Fähnchen mitgebracht hat: "Mich hat’s erwischt" beschreibt sie die Kandidatenkür ihrer Partei. Außerdem seien die Mieten zu hoch und Kindergartenbeiträge ungerecht. Nach drei Minuten beendet Collins ihren Beitrag: Sie wolle niemanden langweilen. Dankbarkeit für das schnelle Ende ist ihr sicher.
Nach zehn Diskussionsveranstaltungen und vielen Samstagen auf der Hirschstraße ist in diesem Wahlkampf nicht mehr viel Neues zu erwarten. Am Ende wird wohl der Sympathie-Faktor entscheiden. Aber ob einer der sieben Bewerber am 29.November die Mehrheit der Stimmen für sich verbuchen kann, ist unwahrscheinlich. Beobachter rechnen bereits mit einem erneuten Wahlgang am 13. Dezember. Dann genügt die einfache Mehrheit. Vielleicht kommt vorher etwas mehr Kampf in die Ulmer Wahl.
Einen Fernsehbeitrag gibt es ab 18 Uhr bei www.regio-tv.de.