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In der Finsternis kam das Erenmännle

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Da seit einigen Tagen diskutiert wird, ob der bisherige Zugang zu den beiden Tobeln von Rickenbach her für die Öffentlichkeit weiter erhalten bleiben soll, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. Denn laut einer Sage soll das Erenmännle in der nördlichen Fortsetzung des Rickenbacher Tobels, dort Bösenreutiner Tobel genannt, gelebt und gewerkelt haben.

Wer von der Stadtbushaltestelle Rickenbacher Brunnen aus in nordöstliche Richtung in das von Wald umgebene Rickenbacher Tobel wandert, wird gurgelnd von jenem Bach begrüßt, der dem ehemals selbständigen Dorf Rickenbach zu seinen Namen verholfen hatte. Nach 15 Minuten gemütlicher Wanderung trifft man auf eine Jahrhunderte alte Wegkreuzung. Das Tobel selbst ändert an der dortigen Brücke seinen Namen von Rickenbacher zu Bösenreutiner Tobel.

Wer weiter entlang des Baches nach Norden wandert, kommt an die Stelle, an der oberhalb des Baches an der östlichen Talschlucht vor langer Zeit das Erenmännle gewohnt haben soll. Eine Art Wichtelmännchen oder Kobold soll es gewesen sein. Zwischen den Nagelfluhfelsen am Steilhang hatte es eine weit verzweigte Höhle gefunden. An schönen Sommertagen trug es seine gesammelten Schätze vor seine Höhle, putzte diese und erfreute sich letztlich an deren Glanz. Silberne sowie goldene Teller und Krüge seien darunter gewesen, wie sich einige alte Bewohner des nahen Dorfes Bösenreutin später noch zu erinnern glaubten.

Als Dank gab es für den stillen Helfer Brot

Damals gab es rund um das Bösenreutiner Tobel viele Bauernfamilien, von denen eine große Zahl zwar reich an entbehrungsreicher Arbeit, aber arm an irdischen Reichtümern war. Diesen half das Erenmännle, wie es von den Einheimischen genannt wurde: Es vollendete nachts jene Arbeit, welche die Bauernfamilie tagsüber nicht mehr hatte zu Ende bringen können. Dafür legten die Bauersleute in der nächsten Nacht als Dank Brot vor ihre Haustüre. Bei seiner nächtlichen Arbeit wollte der Wicht nicht gestört werden. Zu oft schon war er wegen seines Aussehens verspottet worden. Er sah bei Dunkelheit zwar recht gut, zündete aber, wenn nötig noch eine Kerze an. Die Tiere in den Ställen wurden durch seine Anwesenheit nie nervös, so leise verrichtete das Wichtelmännchen die Arbeit bei den Bauern.

Hatte das Erenmännle zu einer Bauernfamilie Vertrauen gewonnen, geschah es manchmal, dass es darum bat, beim nächsten Frühstück mit am Tisch sitzen zu dürfen. Dann holte es einen seiner silbernen Löffel hervor und aß mit diesem. Da konnte es auch geschehen, dass eines der Kinder statt mit seinem eigenen Holzlöffel, mit dem Silberlöffel des Erenmännles essen durfte.

Besteck sammelte er wieder säuberlich ein

Den Knechten und Mägden der reicheren Bauern lieh das Erenmännle, wenn diese bei der Sommerarbeit auf den Feldern ihr Mittagessen einnehmen mussten, manchmal seine glänzenden Messer und Gabeln. Danach sammelte es diese wieder säuberlich ein und brachte das Besteck zurück zu seiner Höhle. Viele hundert Jahre lang freuten sich viele Menschen rund um Bösenreutin über diese Hilfe.

Während des 30-Jährigen Kriegs bekam das Dorf Bösenreutin einen jungen und reichen, aber missmutigen neuen Dorfhauptmann. Diesem gefiel das Treiben des Erenmännleins immer weniger, weil er selbst als reicher Bauer und Bürgermeister nichts davon hatte. Auch war ihm schon vor etlicher Zeit von den Schätzen des kleinen Männchens erzählt worden.

Wieder einmal hatte das Männchen über Nacht einem ärmeren Bauern geholfen. Nun schlich der Bürgermeister am frühen Morgen, noch bevor die Sonne richtig aufgegangen war, dem Männchen zu dessen Höhle hinterher. Dort band er eine mitgenommene gefesselte Gans wieder frei und jagte diese mit lautem Geschrei in die Nagelfluhhöhle. Er wollte damit das Männchen erschrecken und herauslocken.

Die Gans wurde später eine halbe Stunde Fußweg entfernt bei Hangnach an der Laiblach wiedergefunden. Das Erenmännle aber ward samt seiner Hilfsbereitschaft und seinem Schatz nie wieder gesehen. Erst viele Jahre später, der Bürgermeister war inzwischen ein alter Mann geworden, erfuhren die Menschen, was damals während der Kriegsjahre tatsächlich geschehen war.


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