Wenn Hans Gerstlauer sich am 31. Mai 2016 aus dem Wilhelmsdorfer Rathaus verabschiedet, wird er 18 Jahre Bürgermeister der Riedgemeinde gewesen sein. Nicht Amtsmüdigkeit, sondern der Wunsch, die noch geschenkten Jahre selbstbestimmend nutzen und gestalten zu können, haben ihn zum vorzeitigen Rücktritt bewogen. "Leicht ist mir diese Entscheidung dennoch nicht gefallen", sagt er.
Gerstlauer sagt auch: "Ich war gerne Bürgermeister und bin es immer noch." Gut erinnert der 66-Jährige sich an seine Amtseinführung am 1. Oktober 1997 im Dorfgemeinschaftshaus (DGH) in Zußdorf. Und genau an diesem Haus konzentriert sich auch die letzte große Aufgabe, welche die Gemeinde Wilhelmsdorf unter der Ägide Gerstlauer in Angriff nahm – die Zußdorfer Ortskernsanierung mit Schulabriss und Erweiterung des DGH "Schalander". Dazwischen liegen Jahre, in denen der Betsaal zwar immer noch im Mittelpunkt der rund 4800-Einwohner-Gemeinde steht, aber sich das Drumherum doch gewaltig verändert hat.
Die Abschaffung der Unechten Teilortswahl und der Ortschaftsverfassungen ging er gleich zu Beginn seiner Bürgermeisterzeit an. Dass dies glückte, sei "schon ein sehr großer Erfolg" und nicht nicht zum Nachteil der Ortschaften gewesen. Die kommunale Selbstverwaltung funktioniert heute ohne Kirchturmpolitik. Nächste große Baustelle: die Schulen: 1999 übernahm die politische Gemeinde die Trägerschaft der gymnasialen Oberstufe von den Zieglerschen; das bedeutete zwar das Ende der Internatszeit in Wilhelmsdorf, aber auch, dass die Schulträgerschaft nun in einer Hand war. Ein paar Jahre später kam infolge rückläufiger Schülerzahlen die Schulschließung in Pfrungen. "Denn man kann keine Schule ohne Schüler machen", sagt Gerstlauer. Später wurden auch die Grundschulaußenstellen Esenhausen und Pfrungen zugunsten des zentralen Schulorts Wilhelmsdorf aufgegeben. Und in die frei werdenden Räume kamen, wie man heute weiß, Kinderbetreuung und Gemeindesaal in Esenhausen, öffentliche Nutzungen in Pfrungen und in Zußdorf Platz fürs "Schalander".
Wilhelmsdorf gilt als sozialstark und gewerbeschwach. So ohne fette Gewerbesteuereinnahmen – fühlt sich ein Bürgermeister da nicht manchmal wie ein König ohne Land? Bei solchen Fragen muss Hans Gerstlauer schmunzeln. "Nein", sagt er, "nicht, wenn man um die begrenzten Rahmenbedingungen weiß". Manchmal müsse man seine Wünsche aufschieben, aber die Pläne trotzdem in der "Schublade haben, damit man g’richtet ist" und schnell handeln kann, wenn es Fördergelder gibt. Die Wilhelmsdorfer fuhren bislang gut mit dieser Methode. Hört man ihren Bürgermeister, so sind es Gemeinsinn, konstruktive Kritik und Sinn für Praktikabilität, was die Bürger der Riedgemeinde auszeichnet. So hat die Gemeinde auch ein paar harte Jahre der Haushaltskonsolidierung überstanden. "Und es hat uns jedenfalls nicht schlecht getan, dass wir den Euro zweimal umdrehen müssen," sagt der Schultes.
Und er wird dies mit seinem Gemeinderat auch im nächsten halben Jahr noch so halten. Keine Rede von Vorbereitung auf den Ruhestand; Dienst wie üblich – bis zum 31. Mai. Aufgaben gebe es mehr als genug, sagt Hans Gerstlauer. Doch so ganz spontan fällt ihm nicht ein, woran Wilhelmsdorf kranken oder woran es mangeln könnte: "D’Leut lebet gern hier." Das Ried mit seinem Naherholungseffekt ist ein Frequenzbringer für die örtliche Wirtschaft. Inklusion ist in der Riedgemeinde kein neuer Auftrag, sondern längst Alltag. Die Integration der Flüchtlinge läuft gut. Nur der Ausbau der L288 ist in seiner Amtszeit nicht geglückt; aber das ist nicht Wilhelmsdorfs, sondern Baustelle des Landes. Gewerbeflächen und Wohnbau werden ein Thema bleiben. Etwas Sorge bereitet ihm allerdings die politisch gewollte Auflösung der Komplexeinrichtungen (Dezentralisierung der Heimunterbringung): "Da könnte Wilhelmsdorf Einwohner verlieren." Also wird er mit den Sozialeinrichtungen nach einer Lösung suchen. Gerstlauer denkt nicht daran, jetzt einen Gang zurückzuschalten, nur weil das Ende der Dienstzeit in Sicht ist.
Vielleicht wird bis dahin auch sein heimlicher Traum wahr: "Eine integrativ betriebene Gastronomie mit kleinem Campingplatz am Lengenweiler See, wo Familien und Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam Urlaub machen und ihre Freizeit verbringen können." Er selbst freut sich darauf, als Opa von acht Enkeln mehr Zeit für Familie und Freunde, fürs Tennisspielen und Skifahren zu haben. Und ein paar Vorstands- und Ehrenamtspöstchen werden ihn ebenfalls in den (Un-)Ruhestand begleiten (siehe unten).
Hans Gerstlauer, promovierter Agrarökonom, ist 66 Jahre alt, seit 1984, in der Kommunalpolitik, davon zwölf Jahre als ehrenamtlicher Ortsvorsteher in Fronreute, danach Bürgermeister in Wilhelmsdorf.