Wer sich durch die Kommentarspalten der sozialen Medien klickt, dem schlägt nicht selten blanker Hass entgegen. Gerade in diesen Tagen, in denen über kaum ein anderes Thema so hitzig diskutiert wird, wie die Flüchtlingskrise. Da wird im Netz geschimpft, beleidigt, gedroht. Für viele gibt es dabei offenbar keine Tabus mehr, das Niveau befindet sich im freien Fall. Einer der sich damit auseinandersetzt ist Rainer Ebert. Der 30-Jährige hat es sich zur Aufgabe gemacht, die verbalen Tiefschläge auf der Facebook-Seite "Kein Asyl-Heim in der Reinhardt-Kaserne" zu sichten, zu sammeln und in einem eigenen Online-Blog zu veröffentlichen. Unsere Redakteurin Alexandra Rimkus sprach mit Ebert über sein Engagement.
Herr Ebert, was hat Sie dazu bewegt, seit Juli die Hass-Kommentare auf der Facebookseite "Kein Asyl-Heim in der Reinhardt-Kaserne" zu sammeln? Und was wollen Sie mit dieser Arbeit erreichen?
Nach Angaben des Bundeskriminalamts wurden in diesem Jahr bisher mehr als einhundert Gewalttaten gegen Asylheime registriert. Damit hat sich die Zahl solcher Gewalttaten im Vergleich zum Vorjahr bereits verdreifacht. Diese Eskalation der Gewalt gegen Flüchtlinge macht mir Sorgen. Fremdenfeindliche Kommentare im Internet sind ein geistiger Nährboden für diese Gewalt. Deshalb ist es wichtig, dass die Online-Hetze gegen die Ellwanger Landeserstaufnahmestelle und deren Bewohnerinnen und Bewohner nicht ignoriert wird, sondern auf entschiedenen Widerstand stößt. Fremdenfeindlichkeit ist in der Region um Ellwangen wie auch in anderen Teilen Deutschlands ein ernst zu nehmendes Problem und meine Hoffnung ist, dass mein Blog einige Menschen dazu motiviert, selbst aktiv Widerstand zu leisten und für Toleranz zu werben. Bei fremdenfeindlichen Äußerungen im Alltag oder im Internet hilft oft schon deutliches Widerwort. Denn oft glauben diejenigen, die solche Äußerungen tätigen, für die "schweigende Mehrheit"" zu sprechen und sind überrascht, wenn sie auf Gegenwind stoßen.
Welche verbalen Tiefschläge sind Ihnen in dieser relativ kurzen Zeit schon untergekommen? Was hat Sie am meisten entsetzt?
Auf einschlägigen Internetseiten gehören "Gesindel" und "Pack" noch zu den eher harmlosen Bezeichnungen für Flüchtlinge und Asylbewerber. Andere Beispiele, die ich auf meinem Blog dokumentiert habe, sind "Rattenpack", "Wanderheuschrecken" und "Abschaum"". Besonders erschreckend finde ich unverblümt rassistische und neonazistische Äußerungen und solche, die Gewalt gutheißen oder gar dazu aufrufen. Menschen mit dunkler Hautfarbe werden als "Silberrücken"" und "Neger" verunglimpft, Flüchtlinge und Asylbewerber allgemein als "Untermenschen". "Alle Asylanten sollen verrecken", habe ich auf Facebook gelesen. Man solle sie und gleich auch alle anderen Ausländer "ins Meer schicken zum Ersaufen", oder "niederknüppeln". Da ist von "Rassenschande" die Rede und davon, dass sich die Bürger nur wehren können, indem sie die "Kaserne abfackeln". So mancher wünscht sich gar Adolf Hitler zurück. Es gäbe da doch ein "witziges Gebäude in Dachau". Ein anderer User hatte eine ähnliche Idee: "In die Öfen umsiedeln". Überraschend finde ich, dass sich viele dieser Internet-Hetzer mit Klarnamen und Foto äußern, was ein Indikator dafür sein könnte, dass das fremdenfeindliche Klima in Deutschland eine neue Qualität erreicht hat.
Bekommen Sie Reaktion auf Ihre Tätigkeit? Anfeindungen, Lob? Wenn ja, von wem? Wie fallen die Reaktionen aus?
Die Reaktionen, die ich bisher auf meinen Blog erhalten habe, waren durchweg positiv, mit Ausnahme eines Users, der meinte, dass menschenverachtende Kommentare im Internet durch meinen Blog mehr Aufmerksamkeit bekommen, als sie verdienen. Das ist eine berechtigte Sorge. Meiner Meinung nach ist die Hetze gegen Flüchtlinge und Asylbewerber aber so laut und gefährlich, dass sie nicht ignoriert werden darf.
Wie lange wollen Sie noch weiter sichten und sammeln? Angesichts des geballten Hasses, der einem auf diesen und ähnlichen Seiten entgegenschlägt, ist das doch eine ziemlich deprimierende Freizeitbeschäftigung.
Beim Lesen mancher Kommentare zum Thema Flüchtlinge könnte man tatsächlich den Glauben an die Menschheit verlieren. Den Hetzern gegenüber stehen aber eine ungleich viel größere Zahl von Menschen, die sich mit viel Herz und großen Engagement für die Landeserstaufnahmestelle in Ellwangen und deren Bewohner einsetzen. Auch die Behörden und Vereine leisten Großartiges, worauf die Menschen aus der Region stolz sein können. Es sind die ehrenamtlichen Helfer, die die Region hinter sich haben; nicht die, die daheim vor ihren Computern sitzen und versuchen, sich gegenseitig an Schäbigkeit gegenüber den Schwächsten in unserer Mitte zu überbieten. Dennoch denke ich, müssen wir wachsam bleiben und Fremdenfeindlichkeit und Rassismus entschieden entgegentreten. Deshalb werde ich meinen Blog weiterhin betreiben und freue mich über jede Unterstützung. Wer fremdenfeindliche oder hetzerische Äußerungen mit Bezug zur Ellwanger LEA im Internet findet, kann mir diese direkt über meinen Blog zukommen lassen – einfach "Beitrag einreichen" klicken und Screenshots hochladen.